Verfahrensbeistandschaft

I. Gesetzliche Grundlagen

 

§ 158 Verfahrensbeistand (FamFG)

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.

 

(2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich,
1. wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2. in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt,
3. wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
4. in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben, oder
5. wenn der Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.

 

(3) Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. Er wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. Sieht das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

 

(4) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes.

 

(5) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden.

 

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird,
1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder
2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

 

(7) Für den Ersatz von Aufwendungen des nicht berufsmäßigen Verfahrensbeistands gilt § 277 Abs. 1 entsprechend. Wird die Verfahrensbeistandschaft für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 4 in jedem Rechtszug jeweils berufsmäßig geführt, erhält der Verfahrensbeistand eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 Euro. Im Fall der Übertragung von Aufgaben nach Absatz 4 Satz 3 erhöht sich die Vergütung auf 550 Euro. Die Vergütung gilt auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Verfahrensbeistandschaft entstandener Aufwendungen sowie die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer ab. Der Aufwendungsersatz und die Vergütung sind stets aus der Staatskasse zu zahlen. Im Übrigen gilt § 168 Abs. 1 entsprechend.

 

(8) Dem Verfahrensbeistand sind keine Kosten aufzuerlegen.

 

§ 167 Anwendbare Vorschriften bei Unterbringung Minderjähriger (FamFG)

(1) In Verfahren nach § 151 Nr. 6 sind die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 1, in Verfahren nach § 151 Nr. 7 die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 3 geltenden Vorschriften anzuwenden. An die Stelle des Verfahrenspflegers tritt der Verfahrensbeistand.

 

(2) Ist für eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ein anderes Gericht zuständig als dasjenige, bei dem eine Vormundschaft oder eine die Unterbringung erfassende Pflegschaft für den Minderjährigen eingeleitet ist, teilt dieses Gericht dem für das Verfahren nach Absatz 1 zuständigen Gericht die Anordnung und Aufhebung der Vormundschaft oder Pflegschaft, den Wegfall des Aufgabenbereichs Unterbringung und einen Wechsel in der Person des Vormunds oder Pflegers mit; das für das Verfahren nach Absatz 1 zuständige Gericht teilt dem anderen Gericht die Unterbringungsmaßnahme, ihre Änderung, Verlängerung und Aufhebung mit.

 

(3) Der Betroffene ist ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat.

 

(4) In den in Absatz 1 Satz 1 genannten Verfahren sind die Elternteile, denen die Personensorge zusteht, der gesetzliche Vertreter in persönlichen Angelegenheiten sowie die Pflegeeltern persönlich anzuhören.


(5) Das Jugendamt hat die Eltern, den Vormund oder den Pfleger auf deren Wunsch bei der Zuführung zur Unterbringung zu unterstützen.

 

(6) In Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 soll der Sachverständige Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sein. In Verfahren nach § 151 Nr. 6 kann das Gutachten auch durch einen in Fragen der Heimerziehung ausgewiesenen Psychotherapeuten, Psychologen, Pädagogen oder Sozialpädagogen erstattet werden.

 

§ 174 Verfahrensbeistand (FamFG)

Das Gericht hat einem minderjährigen Beteiligten in Abstammungssachen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, sofern dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. § 158 Abs. 2 Nr. 1 sowie Abs. 3 bis 7 gilt entsprechend.

 

§ 191 Verfahrensbeistand (FamFG)

Das Gericht hat einem minderjährigen Beteiligten in Adoptionssachen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, sofern dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. § 158 Abs. 2 Nr. 1 sowie Abs. 3 bis 7 gilt entsprechend.

 

 

II. Aufgaben

 

Die Aufgaben des Verfahrensbeistandes gemäß § 158 Abs. 4:

(1) „Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen.“ Das heißt nach Akteneinsicht, Kontaktaufnahme mit dem Kind (Beziehungsaufbau, Informierung des Kindes auf der Sachebene entsprechend dem Kindesalter und Entwicklung) folgt die Eruierung des Kindeswillens (Zielorientierung, Intensität, Stabilität, Autonomie; vgl. Dettenborn 2002; Dettenborn 2007). Die Interessen sind authentisch wiederzugeben und in den familiären Kontext einzuordnen und darzustellen. 

 

(2) „Und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen.“ Das heißt die Interessen des Kindes schriftlich per Stellungnahme oder mündlicher Stellungnahme/Berichterstattung im Verfahren einzubringen. Durch den Verfahrensbeistand wird das Kind zum handelnden Subjekt und Verfahrensbeteiligten und tritt aus seiner Objektrolle hervor.

 

(3) „Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren.“ Das hießt er informiert das Kind je nach Alter und Entwicklung über seine Rechte und Möglichkeiten, den Ablauf des Verfahrens, bereitet das Kind auf die Kindesanhörung vor, begleitet das Kind zum Termin und ist anwesend während der Kindesanhörung und bereitet den Termin entsprechend nach. Er fungiert somit als Dolmetscher zwischen Gericht und Kind.

 

(4) „Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.“ (Bestellung gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG).

Das heißt er führt zusätzliche Gespräche mit den Eltern, Lehrern, Großeltern je nach Sachlage und Vermittlung mit Methoden der Mediation. Lösungsorientiertes Handeln im Interesse des Kindes schützt das Kind mittelbar vor einer Instrumentalisierung und vor dem Konflikt (vgl. im Einzelnen Röchling 2009, 89–93).

 

Der Verfahrensbeistand nimmt seine Aufgabe selbstständig und eigenverantwortlich wahr (vgl. Bork 2009, 524).

 

 

Wie ich arbeite:

In der Regel stelle ich mich dem Kind in Gegenwart des Elternteils, bei dem es derzeit seinen Lebensmittelpunkt hat, vor. Während des ersten Termins lernt mich das Kind kennen, wir spielen und ich informiere das Kind über meine Rolle. Während dieses Termins vereinbare ich mit dem Kind ein zweites Treffen.
Je nach den Wünschen des Kindes lade ich das Kind in mein Büro ein. Während dieser folgenden Termine eruiere ich den Willen, bereite Kindesanhörungen oder Interaktionsbeobachtung mit einem anderen Elternteil in Abhängigkeit von den Wünschen und Interessen des Kindes vor. Wahlweise finden Termine auf Spielplätzen, bei McDonald’s oder im Kinderzimmer je nach den Wünschen und Interessen meiner Mandanten kindgerecht statt.

Belastende Gespräche führe ich hauptsächlich in meinem Büro. Während dieser Gespräche fungiert meine Katze als „Türöffner“. Auf Grund meiner Erfahrungswerte erleben die Kinder die Gespräche als weniger belastend, genießen sogar manche Termine. Diese Gespräche orientieren sich an der Lebenswelt (ihrem individuellen Tempo und ihren Interessen) der Kinder.

 

Arbeitsbasis:

Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Verfahrensbeistandschaft / Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche e. V.

neue Standards für die Verfahrenspflegschaft gem. § 50 FGG (1109 KB)
neue Standards für die Verfahrenspflegschaft gem. § 70b FGG (1131 KB)

 

 

III. Arbeitsfeld des Verfahrensbeistandes

 

Der Verfahrensbeistand ist tätig in Kindschaftssachen, d. h. in Angelegenheiten, die das Kind betreffen (§ 151 FamRG = Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit).

 

§ 151 Kindschaftssachen (FamFG)

Kindschaftssachen sind die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die
1. die elterliche Sorge,
2. das Umgangsrecht,
3. die Kindesherausgabe,
4. die Vormundschaft,
5. die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder für eine Leibesfrucht,
6. die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen (§§ 1631b, 1800 und 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
7. die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder
8. die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz
betreffen.

 

 

IV. Methoden

 

Methoden aus dem NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren):

  • Zirkuläres Fragen, Visualisierungen, Rollenspiele usw.

Methoden aus dem systemischen Ansatz:

 

  • Konstruktinterview, Interventionen wie Lösungen zweiter Ordnung, die sich an den Ressourcen und Möglichkeiten des Familiensystems orientieren (Familie wird als System verstanden) usw.

 

Interaktionsbeobachtung, Exploration

 

Methoden aus der humanistischen Psychologie von Carl Rogers und Thomas Gordon:

  • Aktives Zuhören, Spiegeln, Ich-Botschaften usw.

(vgl. im Einzelnen Röchling 2009, 116–133)

 

 

V. Voraussetzungen

 

Rechtliche, (entwicklungs-)psychologische und pädagogische Fachkenntnisse
Regelmäßige Weiter- und Fortbildungen
Regelmäßige kollegiale Beratung und Supervision
Weiterbildungszertifikat und Inhalte der Weiterbildung

 

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung

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